Letzte Woche Mittwoch habe ich grosszügig die eher schlechten Wetterprognosen ignoriert und bin trotzdem nach Beatenberg zum Startplatz gegangen. Oben angekommen stellte ich fest dass die Verhältnisse nicht sehr passend waren, dafür sah ich Beni am Startplatz, sah in starten und entschied mich dann trotzdem nicht zu starten. Am Abend nahm ich Kontakt zu Beni auf und fragte ihn wie der Flug war, er gratulierte mir zu meiner Entscheidung nicht zu fliegen. Nach einigem Hin und Her kamen wir darauf dass ich gerne Mal mit ihm einen Tandemflug machen würde. Ein Tag später zeigte sich, dass die Wetterverhältnisse perfekt wären für einen Tandemflug – ein zwei Nachrichten hin und her und schon hatten Beni und ich ein Date für 12:00 im Stechelberg um vom Schilthorn zu starten.
Hey Raffi, sorry es wird etwas später. Bin gerade über dem Eiger und werde noch kurz versuchen die Jungfrau zu schaffen.
Beni Kählin
Am Tag des abgemachten Fluges kriegte ich eine interessante Sprachnachricht von Beni – zusammengefasst klang es ca. so “Hey Raffi, sorry es wird etwas später. Bin gerade über dem Eiger und werde noch kurz versuchen die Jungfrau zu schaffen.” – ich konnte dann von Mürren aus beobachten wie Beni knapp die Überhöhung der Jungfrau nicht schaffte (aus meiner Sicht schon, aber laut seiner Aussage knapp nicht) und dann Wingovernd sich gegen Stechelberg bewegte. Einige Minuten später tauchte Beni in seiner typisch entspannten Art auf und wir begaben uns auf das Schilthorn. 3000m hin oder her, Beni barfuss auf dem Weg zum Startplatz. Am Startplatz angekommen schauten wir einigen anderen Piloten zu wie sie starteten und waren danach selber relativ schnell bereit für unseren Start. Beni versuchte das erste Mal mit einem Liegegurtzeug für den Passagier zu starten und war sich nicht sicher ob es funktionieren würde aber if you don’t try you never find out.
Der Start am Schilthorn ist etwas “gfürchig” aber ging ohne Probleme, schon 30 Sek nach dem Start hatten wir den Startplatz überhöht und gefühlte 5min später waren wir an der Cloudbase über dem Schilthorn und entschieden uns an die Jungfrau zu queren.
Unsere Jungfrau “Bezwingung”
An der Jungfrau angekommen begann meine erste Lehrstunde in proximity Flying – jedesmal wenn wir gegen die Flanke der Jungfrau flogen zog sich in mir alles zusammen. Ich vertraue Beni zwar 100% aber trotzdem war es schwer ruhig zu bleiben wenn man so nahe an der Wand flog und es doch schon thermisch aktiv war. Wir waren nicht die einzigen an der Jungfrauflanke aber wir arbeiteten uns kontinuierlich hoch. Beni arbeitete sich entlang des Rottalgrates langsam hoch um dann kurz vor dem Gipfel ein “Rüppi” (Rippe) weiter rüber zu gehen da er erfahrungsgemäss an dem nächsten Rüppi besser den Gipfel überhöhen konnte. Einige Minuten später waren wir +/- 100m über der Jungfrau und Beni meinte “Komm wir machen eine Toplandung!”. Mir war zwar etwas mulmig zumute aber ich hatte volles Vertrauen in Beni und wenn er sagt es geht dann bin ich dabei. (nebenbei war ich an Beni angekettet und hätte so oder so mitgehen müssen 😛 ) Also zogen wir los richtung Schneefeld neben dem Jungfraugipfel, ca. 10m über dem Feld drehte Beni plötzlich ab. Er hatte Fussabdrücke gesehen die Tief eingesunken waren und war sich nicht sicher ob wir wieder weggekommen wären – also liessen wir es lieber sein und zogen weiter richtung Mönch.
Mönch und Eiger mussten auch noch herhalten
Schon beim anflug an den Mönch meinte Beni, dass der Mönch etwas schwierig ist um ihn zu überhöhen und evtl. unsere Mühe nicht wert sei. Kaum hatte er das gesagt wurde die Luft recht turbulent und nach einigen Kurven entschieden wir dann lieber weiter zu ziehen. Auf zum Eiger also.
Am Eiger ging es etwas weniger turbulent zu und her. Wir konnten uns gut am Eiger hoch arbeiten und waren in recht kurzer Zeit über dem Eiger und konnten den Anblick geniessen. Wobei geniessen relativ war, wenn man den Eiger so sieht realisiert man erst wie schmal er ist und wie tief es rechts und links runter geht. Speziell richtung Mitteleggigrat war das queren des Grates ein hässliches Gefühl. Man ist ja schon im Gurtzeug und sicher. Aber zu sehen wie plötzlich der Boden verschwindet ist trotzdem eine Herausforderung für den Geist.
Hochalpine Landschaft wir kommen
Wir haben uns dann entlang des Mitteleggigrates richtung Schreckhorn vorgearbeitet und Beni erklärte mir dann dass wir nun am Schreckhorn bzw. am Lauteraarhorn gut Höhe machen mussten um dann den Finsteraargletscher kreuzen zu können und auf der anderen Seite ins Wallis queren zu können. Wir begaben uns also ans Schreckhorn und versuchten an dessen Nordwestlichen Flanke auf zu drehen aber das Schreckhorn wollte uns nie richtig hoch lassen. Nebst zwischenzeitlichen 10m/s steigenden Schläuchen hatten wir plötzlich wieder 8m/s sinkende Bereiche und schienen irgendwie die 3900 nicht überschreiten zu können. Nach einigem Versuchen tauchte ein ehemaliger Schüler von Beni auf, flog an uns vorbei und überhöhte das Schreckhorn problemlos. Klar er war an einem Solo Schirm aber das nagte dann doch an Benis Ego und wir versuchten es noch ein paar mal, bis wir dann doch 3950m überschritten aber leider das Schreckhorn mit seinen 4078m nicht ganz überhöhten. Wir zogen dann weiter ans Lauteraarhorn und konnten dort genügend Höhe machen um die Talquerung zu wagen. Die Talquerung hatte es in sich, wenn wir auf dem Gletscher hätten landen müssen, hätten wir einen langen Marsch vor uns gehabt bis wir wieder irgendwo Zivilisation erreicht hätten. Glücklicherweise fanden wir auch noch kurz vor dem Gletscher nochmal einen Schlauch und konnten noch 200-300m Höhe gut machen und kamen mit komfortablem Abstand zum Grund auf der anderen Seite an.
Willkommen im Obergoms
Wir waren also im Wallis angekommen. Wir hangelten uns entlang des Fieschergletschers dem Hang entlang und gelangten ins Obergoms. Über dem Furggulti Sessellift drehte Beni wieder eine recht turbulente Thermik ein, wir kassierten sogar einen Klapper an unserem Tandemschirm (was Beni vorher als “fast unmöglich und wenns passiert sinds richtig krasse Bedingungen” bezeichnet hat). Ich muss zugeben in der Thermik habe ich es zum ersten mal erlebt dass mir langsam “gschmuech” (schlecht) wurde, aber ich habe mich nochmal konzentriert und tief durchgeatmet und dann gings wieder. Beni hatte irgendwo am Schreckhorn das Ziel Domodossola ausgerufen, dort gäbe es eine ausgezeichnete Pizza. Er erklärte mir dann, dass wir nun das Wallis kreuzen müssen, auf der anderen Talseite Höhe machen und wenn wir über die Berge rüber kommen können wir dann gemütlich nach Domodossola abgleiten. Doch wie immer im Gleitschirmfliegen kommts anders als man hofft. Wahrscheinlich wegen etwas Nordföhn wurden wir bei der Talquerung stark nach unten gedrückt und kamen auf knapp 2000m Höhe auf der anderen Seite des Tales an. Wir bemerkten sofort dass es viel zu warm war und leider fanden wir dann keine Thermik mehr die uns ausreichen hätte tragen können um den Berg wieder zu überhöhen. Wir versuchten noch irgendwie es doch zu schaffen aber wir sanken immer tiefer und irgendwann mussten wir uns langsam nach einem Landeplatz umsehen.
Wir landeten sehr sanft einige Meter vom Bahnhof Niederwald entfernt. Obwohl ich meine Beine “aufgewärmt” hatte wollten sie mich nicht richtig tragen und ich riss Beni mit mir zu Boden. Das ist etwas schade weil die Landung war wirklich butterweich, leider aber auch meine Beine! 🙂
Mit Beni bleibts immer Interessant
Was ich an Beni so schätze ist, dass das Abenteuer nicht mit der Landung vorbei ist. Wir packten unsere Sachen und sammelten unsere Gedanken. Wir waren direkt neben einem Bahnhof gelandet aber Beni fand wir sollten Autostopp auf den Grimsel machen und schauen ob wir uns dort irgendwo raushauen können um noch etwas Airtime zu bekommen. Also stellten wir uns DIREKT neben einem Bahnhof auf die Strasse und hoben unsere Daumen. Natürlich hielt niemand an! Beni hatte ein einsehen und schickte mich den “halt auf verlangen” Knopf zu drücken damit wir auf den nächsten Zug gehen konnten. (der Zug war in 1-2 Minuten angekündigt) Ich rannte los, drückte den halt auf Verlangen knopf, kam zurück und Beni hatte einen Audi A7 am hacken. Die freundliche Slowakin (erkennbar anhand der Autonummer) fragte wo wir hin wollten. Wir sagten wir wollen auf den Grimsel, sie grinste freundlich und meinte “Da arbeite ich! Ich bin auf dem Weg dort hin.” wir setzten uns also in den wunderschönen Audi und fuhren ein paar Dörfer weiter und plötzlich hielt Irina (so hiess die nette Slowakin) an “So hier arbeite ich!”. Beni und ich waren etwas erstaunt, bis wir aus dem Fenster schauten und das Hotel Grimsel in Obergestein (https://www.hotelgrimsel.ch) erblickten. Wir erklärten ihr dann, dass wir eigentlich auf den Grimselpass wollten, aber es sei ok wir steigen aus und Autostöppeln weiter. Sie fand dann sie stelle uns noch etwas weiter aber sie habe nur Benzin für 190Km – also ging die bequeme fahrt noch weiter. Kaum hatten wir es uns versehen, standen wir auf dem Grimselpass. Irina war erst seit 3 Wochen in der Schweiz (als Servicekraft) und machte grosse Augen ob der schönheit der Gegend. Sie machte noch grössere Augen als Beni in 0 komma nix in seinen Unterhosen dastand und direkt vom Parkplatz einen satz in den Totensee nahm. Es war nicht unbedingt der Sprung der ihre Augen weiteten, ich denke sie wollte eher so viele Eindrücke von einem fast nackten Beni sammeln wie möglich.
Die Suche nach mehr Airtime
Nach dem erfrischenden Bad fingen die Adler-Instinkte bei Beni an seine Flügel zu strecken und zu checken wie die Fliegbarkeit des Grimselpasses so sei. Leider schienen die Verhältnisse auf dem Grimsel nicht zu passen, er fragte dann Irina ob Sie uns nicht noch 100m runter stellen könnte damit wir dort testen können ob ein Start drin liege. Leider waren auch da die Verhältnisse nicht geeignet, Irina war aber sehr glücklich hatte sie uns runter gestellt, die Aussicht von unserem potentiellen Startplatz war phänomenal und Irina konnte die ein oder andere Träne nicht unterdrücken. Wir verabschiedeten uns dann von Irina und wollten weiter Talauswärts autostöppeln aber sie meinte wir würden niemals mitgenommen. Am Ende bot Beni ihr den Deal an einmal mit ihr in Interlaken einen Tandemflug zu machen wenn sie uns nach Innertkirchen stelle. Irina ging den (ausgezeichneten) Deal ein und so ging die fahrt wieder weiter. Leider musste Irina alle 100m anhalten um wieder ein Foto zu schiessen und irgendwann bot Beni ihr dann an er könne sonst fahren dann könne sie in ruhe Fotos schiessen. Nach ein paar kritischen Blicken stimmte Sie zu und schon war Beni hinter dem Steuer und wir steuerten Innertkirchen an. Für mich auf dem Hintersitz war das natürlich ein recht bizarres Schauspiel, diese freundliche Dame die uns eigentlich nur ein paar Dörfer mitnehmen wollte endete plötzlich einen Kanton weiter auf dem Beifahrersitz ihres eigenen Autos. Ich genoss aber einfach die Situation und wir steuerten Innertkirchen an. Leider verpassten wir den Zug in Innertkirchen knapp und baten Irina dann uns noch auf Meiringen zu stellen. Da schafften wir es auf einen Zug richtung Interlaken und kamen spät am Abend aber glücklich in Interlaken Ost an.
Zusammenfassung eines wunderbaren Tages
Ich durfte mit Beni Hochalpines fliegen erleben, Jungfrau, Eiger, Schreckhorn, Lauteraarhorn und einige weitere Berge von nahem Sehen und hatte eine lustige Rückfahrt. Was will man mehr?
Ich bin mir sicher die Eindrücke die ich auf dem Flug gesammelt habe werde ich nie vergessen. Aber auch die Heimfahrt werde ich nie vergessen der ganze Tag war einfach nur phänomenal. Wenn ihr also die Chance habt mit Beni oder auch einem andern Tandempiloten eine Runde zu drehen, dann lasst alles stehen und liegen und nutzt diese Chance auf euer eigenes kleines Abenteuer. Ich werde jedenfalls wieder mit Beni eine Runde drehen obs jetzt mit dem Tandem ist oder bei einem gemeinsamen Flug an je einem Solo Schirm – es war ein riesen Spass! Wieder eine Geschichte die nur dank Corona möglich war, wäre kein Corona wäre Beni am Tandem-Akkordarbeiten und hätte keine Zeit für solche Abenteuer! Die Krise hat auch sein Gutes! Jedenfalls für mich.