09.08.2020 – Heute war wieder 08:45 besammlung und dann zogen wir gleich los richtung Schilthorn. Kari hatte uns als Gruppe durchgebucht und so waren wir in Windeseile oben auf dem Berg. Wir begaben uns ins Drehrestaurant und machten wieder Theorie. Kari hörte uns eine Weile zu wie wir unsere Theorien für Einstiegsschlauch und potentielle Routen zusammenbastelten und gab uns dann auf der Terrasse seine Ansicht des ganzen. Es hatte eine hohe Basishöhe und wir mussten abermals darauf achten, dass wir nicht zu tief heruntersinken würden um nicht in der warmen Suppe zu landen. Er schlug drei verschiedene Routen vor:
- Beginnerroute: Am Schilthornschlauch bis auf die Basis (ca. 3500m) aufdrehen, richtung Interlaken zielen und losgleiten.
- Mittlere Route: Schilthornschlauch aufdrehen, dann über die Kleine Scheidegg an die First und von dort nach Interlaken
- Heavy Route: Schilthornschlauch aufdrehen, dann richtung Gspaltehorn und weiter hab ich nicht mehr zugehört weil mir klar war, dass das nichts für mein Level ist.
Ich entschied mich für die mittlere Route – Zum einen war ich mit Beni eine Woche vorher in der Gegend geflogen und zum anderen sollte es für mich ab der First ein “Heimrennen” sein.
Wir packten also unsere Sachen und begaben uns zum Startplatz, es waren einige Leute dort und Kari meinte dann “ach machen wir unseren eigenen Startplatz neben dem Offiziellen im Kies” er war dann auf der Suche nach jemandem der sich freiwillig meldete um als erster zu Starten. Da ich schon bereit war und sich wieder niemand meldete stand ich kurze Zeit später vor meinem Schirm und wurde von Kari in die Luft gepeitscht. Beim start blieben ein paar Leinen an den Steinen hängen und mein Schirm kam recht quer hoch, ich wollte schon abbrechen als ich bemerkte wie sich der Schirm erholte und über meinen Kopf kam. So entschied ich mich doch zum start und war ein paar Minuten später schon an der Basis des Schilthornschlauches. Knapp unter den Wolken entschied ich mich los zu fliegen, ich bewegte mich richtung Birg da sich dort vorher noch eine Wolke gebildet hatte. Leider war da nichts mehr von Thermik aber ich drehte dann richtung Kleine Scheidegg und machte mich an die erste Talquerung.
Ich kam ca. 200m zu tief an um direkt über die kleine Scheidegg zu fliegen. Schon während dem Anflug überlegte ich mir wo sich Thermik ablösen könnte, flog dort hin und fand Thermik – sie war recht stark dem Hang entlang aber ich gewann wieder an höhe und konnte mich richtung Lauberhorn hocharbeiten. Für die nächste Talquerung richtung First war ich zuerst etwas unsicher, ich bewegte mich dann der Thermik entlang richtung Männlichen. In der zwischenzeit hatte mich Russ wieder aufgeholt und wir drehten in der nähe des Männlichen immer wieder auf der gleichen Höhe. Irgendwann entschied ich mich dann nun richtung First los zu fliegen.
Hätte ich nicht den Eps gehabt wäre ich wohl kurz später im Grund gestanden. Mit dem Eps kam ich aber genau auf der richtigen Höhe an und konnte mich in den grossen First Pulk begeben. Ich wurde von ca. 50 Schirmen empfangen und musste mich von der engen Drehtechnik verabschieden da ich sonst jedem in die Quere gekommen wäre. Russ kam zwar auch auf der gleichen Höhe an, hatte aber etwas Probleme sich im Pulk zurecht zu finden. Zuerst überlegte ich ob ich oben in der Thermik auf ihn warten sollte, entschied aber, dass dies nicht mein Skilllevel ist. Egoisitisch zog ich weiter an das Reeti und war innerhalb relativ kurzer Zeit wieder auf ü3000m. Über dem Reeti versuchte ich maximale höhe zu machen als ich aus dem Schlauch fiel und gleich wieder reinflog, dabei erwischte ich die Thermik mit der Flügelspitze und ehe ichs begriff schaute ich von senkrecht über dem Schirm in mein Tuch und anstatt meine Erfahrungen von Wingovers zu nutzen und die Situation zu entschärfen schaute ich dem geschehen einfach zu. Glücklicherweise fiel ich neben dem Tuch durch und fand meine Kontrolle wieder. Trotzdem entschied ich mich einmal nicht an die Basis zu steigen und lieber weiter zu ziehen.
Auf dem Weg zur Schynigenplatte konnte ich immer wieder höhe machen und konnte die Talquerung richtung Hardergrat mit knapp 3000m Höhe angehen. Auf der anderen Seite des Tals kam ich mit 250m AGL auf ca. 1800m an und konnte gleich in einen Schlauch einsteigen in dem schon zwei andere waren. Nun hatte ich ein kleines Problem: mein Plan ging nur bis Interlaken und ich hatte aber plötzlich die Option noch weiter zu kommen. Ich entschied mich zum Augstmatthorn zu fliegen, dort die Querung richtung Niederhorn zu machen die ich am Tag zuvor verpasst hatte und dann vom Niederhorn aus ins Lehn ab zu gleiten. Also machte ich mich auf den Weg richtung Augstmatthorn.
Ich konnte mich immer wieder etwas hochdrehen bis ich zum Suggiturm kam und wieder versagte ich Taktisch. Anstatt mich nach links richtung Habkern zu versetzen und den Versuch ans Niederhorn zu gelangen erwartete ich auf der Brienzerseeseite (der sonnenbeschienenen Seite) irgendwo einen Schlauch zu finden. Natürlich ging dort nichts mehr und plötzlich war ich zu tief um nochmal hoch zu kommen. Ich hangelte mich dann im Hangaufwind richtung Interlaken, wurde zwei mal vom Vario gerettet welches mich vor zwei Heukabeln warnte. Ich konnte dank dem Hangaufwind trotzdem genug Höhe halten um auf der Harderrestauranthöhe am Harder an zu kommen und entschied mich ins Lehn landen zu gehen. Dies hatte einen Einfachen Grund: Letztes mal als ich zum ersten mal von der First nach Interlaken geflogen bin hatte ich auf XContest 19.9Km Strecke – da ich die Höhe fürs Lehn hatte entschied ich mich die zusätzlichen Meter zu machen. Ich konnte ohne gross Abbaukreise machen zu müssen im Lehn landen und war dann sehr gespannt wie viele Km ich geschafft hatte. Laut meinem Vario 50.7Km – mein erster 50Km Flug in der Tasche!
Ich rief sofort Tom an um mich abholen zu lassen und war einfach nur noch überglücklich.
Am Ende des Tages machten wir noch ein Debriefing per Zoom. Russ hatte es auch noch nach Interlaken geschafft während dem die meisten der Gruppe sich für die direkte Linie nach Interlaken entschieden hatten. Ein zwei hatten leider pech und mussten im Stechelberg landen aber die meisten schafften es im Minimum bis nach Interlaken. Das Fazit des Thermikcamps fiel für mich überaus positiv aus. 4 Tage geflogen, jeden Tag besser geflogen und zum Schluss meinen ersten 50Km Flug gemacht. Die am besten investierten 880.- in meiner kurzen “Gleitschirmkarriere”.